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Make Quality not Quantity

Hallo Zusammen,

Das Foto zeigt eine Kreation aus der Caketastics Kollaboration 2017 mit dem Thema Burn Out. Was dahinter steckt, habe ich Anfang 2018 gemerkt….

2017 war bis dato ein großartiges Jahr.
Ein Jahr, in dem ich viele neue Dinge ausprobieren und über meine Grenzen erneut hinauswachsen konnte. Mir wurden Chancen geboten, von denen ich zu Beginn meiner Zuckerkarriere nicht zu träumen gewagt hätte. Projekte, die mir die Möglichkeit gaben mit tollen Menschen zusammen zu arbeiten und meine Fähigkeiten auszubauen.
Aber mit der Anzahl an Projekten habe ich auch festgestellt, dass es Grenzen gibt.
Physische und psychische Grenzen, die man eine gewisse Zeit ignorieren kann, aber ab einem bestimmten Punkt immer lauter werden und man dann darüber nachdenken sollte, ob und wie es weiter geht.
Ich habe für mich festgestellt, dass ich mich in der Spirale immer schneller bewege und es ist Zeit, das Tempo heraus zu nehmen und sich nicht von dem Druck und ständigen Trendwenden in der Szene mitziehen zu lassen.

Immer mehr... und man merkt es zu Beginn nicht

Bis November 2017 habe ich viele Werke geschaffen und einiges nebenbei gemacht. Wie viele es waren, habe ich beim Schreiben dieses Artikels erst bemerkt. Ich war von der Menge doch ziemlich erschrocken. 15 Projekte, 3 Kurse, Messearbeit und Arbeiten an der eigenen Webseite.
Neben diesen ganzen to dos habe ich auch noch naiver Weise gedacht, ich könne noch mit 4 Wochen Zeit jeweils ein Wettbewerbsstück für Dortmund/Essen und Birmingham modellieren.
Das Ergebnis in beiden Fällen war eine völlige Kopfblockade, da der eigene Druck und Stress mir keine innere Ruhe ließ um entspannt und frei zu arbeiten (die nächsten Projekte und Deadlines saßen ja immer noch im Nacken), dazu der eigene Perfektionismus der mir sowieso immer viel Zeit und Geduld abverlangt.

Nun mag mancher denken: naja, wenn man das als Business betreibt, dann ist das so.
Ja dem stimme ich zu. Aber es gibt da einen entscheidenden Unterschied:
die Zuckerkunst ist nicht mein Beruf, sondern mein Hobby.
Und wenn ein Hobby anfängt, den größten Teil deines Lebens zu bestimmen, dann läuft da was gründlich schief.
Gerade wenn man seiner Familie versprochen hat, dass im August nichts modelliert wird und man dann doch an etwas arbeiten muss, weil man in seinem Zeitplan hinterher hängt. Sie haben das Ganze dieses Jahr zähneknirschend hingenommen, nebst meiner ständigen inneren Unruhe.
Zwischendurch ist mir deshalb der Spaß verloren gegangen, es fühlte sich alles an wie ein Zwang. Ich war Ende 2016 bereits 1 Jahr im Voraus extrem verplant und durch getacktet, habe meine Termine und Projekte durchgezogen mit den üblichen Hindernissen und ein paar unschöneren Dingen, die im Leben passieren können.
Mit den Werken kam aber auch der Erfolg, es gab Zuspruch, tolle Angebote für neue Projekte. Und ich muss zugeben: ja es tut gut wenn die eigene Arbeit gewürdigt wird, aber ich selbst war mit dem ganzen „Wirbel“ auch ein bisschen überfordert.

Erfolg und seine Folgen

Mit jedem Erfolg kamen immer mehr Anfragen, immer mehr Routine (man wird bei jedem Projekt schneller was heißt man könnte sich ja noch mehr neue Projekte aufhalsen), immer mehr Deadlines, Stress, usw. usw.

Oberflächlich gesehen ist Erfolg eine schöne Sache, aber er bringt neben mehr Arbeit ganz andere Probleme mit sich.
Für mich waren es folgende Dinge, die immer mehr und mehr zum Problem wurden.
– Man wird im wahrsten Sinne des Wortes immer breiter, denn man bewegt sich immer weniger (einige Kollegen stimmen mir da sicherlich zu).
– Durch den Stress hat man früher oder später mit gesundheitlichen Folgen zu kämpfen. Sie werden nach außen nicht gezeigt, aber hinter den Kulissen laufen viele Kollegen bereits auf Anschlag und am Rande ihrer Kapazitäten. Auch ich merke, dass ich mehr auf meine Gesundheit achten muss.
– Jedes Mal, wenn man ein für seinen Stand „besseres“ Werk geschaffen hat ist der Druck da, noch ein drauf zu legen. Nach dem Motto: immer höher, schneller, weiter…
– Kollaborationen sind wunderbar aber mit jedem dieser Projekte nimmt man sich immer mehr die Möglichkeit, eigene Ideen frei umzusetzen, wann man will und wie man will
– Wenn man durch FB scrollt hat man das Gefühl, man müsste ständig neues nachliefern weil alle anderen auch so viel machen. Sonst könnte man unter gehen, vergessen werden oder den Anschluss verlieren.
– Je mehr man macht, desto schneller sind der Follower auch übersättigt. Ich kenne es selbst: bin ich bestimmten Leuten früher gefolgt und war gespannt auf deren Werke, so bin ich ihnen heute im wahrsten Sinne des Wortes überdrüssig, denn man sieht sie quasi in jeder Kollab und es kommen unentwegt neue Sachen.

Die Erkenntnis

Im Laufe des Jahres wurde mir klar: Nach Birmingham musst du etwas ändern. Mir ist an der Stelle klar geworden, dass ich als Hobbykünstler nicht weiter in der sich immer schneller werdende Spirale stecken möchte nur um des Erfolgs willen.
– Ich werde durch das viele Sitzen immer breiter und das gefällt mir gar nicht.
Ich fühle mich unwohl und gesundheitlich ist mein Zustand auch alles andere als gut. Gesundheit kann man nicht kaufen und diese auf Kosten eines „Erfolgs“ in der Form zu opfern, ist nicht richtig.
– Zudem möchte ich nicht permanent und überall präsent sein. Ich möchte, dass die Menschen neugierig sind auf meine Projekte, dass sie nicht übersättigt sind und jede neue Idee für beide Seiten ein neues Abenteuer ist.
– Die Angst nicht genug präsent zu sein, in Vergessenheit zu geraten oder den Anschluss zu verlieren: ja die hatte und habe ich irgendwie noch immer.

Ich halte mir dann aber immer bestimmte Künstler wie Karen Portaleo, Shannon Bond oder Marta Hidalgo vor Augen, die auf Klasse statt Masse setzen.  Gehen sie unter? Nein, ganz im Gegenteil.

Wenn ich auf mein Leben schaue, dann rückt für mich meine Gesundheit, Familie und der Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Elternzeit in den Fokus, in dem die Zuckerkunst in Zukunft einen geringeren Teil an Ressourcen einnimmt.

Es geht nicht darum sich zu beschweren, zu jammern oder anderen die Schuld zu geben. Ich habe mir das Pensum selbst aufgehalst und dafür die Verantwortung übernommen.  Es geht mir darum, endlich den eigenen Weg zu finden und sich vom Druck zu lösen.
Birmingham war eine unglaubliche Erfahrung, man hat durch die tolle Zeit und den Zuspruch unheimlich viel Kraft getankt. Aber die Euphorie hält nur kurz, denn nach 2 Wochen ist Birmingham für die meisten Menschen Vergangenheit und vergessen.
Und man sitzt die meiste Zeit in seinem Kämmerlein, allein und bastelt vor sich hin um das nächste Projekt zu kreieren. Denn sind wir mal ehrlich: Zuckerkunst ist ein einsames Hobby. Die wenigen male, in denen man wirklich mit anderen zusammenarbeitet, sind rar.
Deshalb liebe ich es Kurse zu geben, im Austausch mit Menschen zu sein, oder solche Projekte, wie das Kuchenhaus der Snow White Kollaboration in Birmingham.

Wie geht es weiter?

Abschließend fragt man sich nach der langen „Ansprache“: wie geht es denn weiter?
– Ich werde weiter Kurse geben, wenn es sich sowohl von den Anfragen als auch den Themen ergibt
– Ich werde die Menge an Kollaborationen reduzieren. Das hieß für mich 2018 viele attraktive Angebote abzusagen und nur ein paar wenige zu selektieren, die mir sowohl emotional als auch thematisch am Herzen liegen.
– Ich werde die Menge meiner Projekte insgesamt reduzieren und möglichst eigene Ideen realisieren, die mitunter seit 3 Jahren in der Schublade liegen. Messearbeit etc. wird es geben, aber in einem gesunden Maße.
– Ich möchte mir die Möglichkeit offenhalten, nächstes Jahr an Wettbewerben teilzunehmen.
– Ich möchte in Zukunft in meinem eigenen Tempo erarbeiten und nicht mehr überfrachten. Lieber Qualität statt Quantität.

Wie gut mir das gelingt, kann ich nicht sagen. Worte sind schnell geschrieben, eine Erkenntnis schnell gewonnen. Die Umsetzung wird mich ganz schön fordern aber ich hoffe auch am Ende das Resümee erbringen, dass es die definitiv richtige Entscheidung war.

Liebe Grüße Jennifer Holst